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Funkhaus & Milchbar, Berlin

  • Autorenbild: en roUTE
    en roUTE
  • 21. Juli 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Sept. 2024

Juwel und Ostalgie an der Spree



Fernab vom Touristen-Trubel in Berlin-Oberschöneweide befindet sich die Nalepastrasse. Auf der Höhe von Karlshorst (Hegemeisterweg) steht das Funkhaus, das sich in sachlicher Industriearchitektur erstreckt und von reichlicher Rundfunk-Geschichte der ehemaligen DDR zeugt. Nach dem Architekten Franz Ehrlich (Bauhaus-Schüler) wurde die in der Nähe liegende Ehrlichstrasse benannt.

 

Exkurs:

Oberschöneweide wurde und wird von den (Ost)Berlinern und denjenigen, die dort lange leben, liebevoll «Oberschweineöde» genannt, da die Gegend bis vor Mauerfall, Sanierung, Bebauung und Begrünung von Industrie, Staub und Dreck geprägt war. Kein Ort der Erholung.  



Funkhaus Nalepastrasse Berlin



Beim Betrachten muten die wuchtigen Gebäude DDR-typisch an – einfach und nüchtern. Der Gang durch das Eingangstor lässt auf ein Gewerbegebiet schliessen. Ein Container ist voll von Briefkästen, auf denen diverse Unternehmensnamen stehen.





Streift man weiter Richtung Spree zum Ufer spürt man die Gelassenheit und Unabhängigkeit des Ortes, von dem musikalische Rebellion ausging. Ein Hauch Freiheit und Grenzenlosigkeit, der hier noch einmal weht. Man versteht, dass sich die Einheimischen an dem Ort wohlfühlen.

 

Chillen ist angesagt!

 

Wer sich hier für einen Nachmittag niederlässt, der hat den Logenplatz mit perfektem Blick auf die Spree. Erfrischendes, Kaffee, Kuchen und kleine Speisen gibt’s in der Milchbar, die nicht nur von aussen, sondern auch von innen mit ihrem ost-authentischen Einrichtungsstil im 70er Jahre Charme die Herzen der Fans höherschlagen lässt. Verweilen-geniessen-sinnieren!


Ich fühlte mich schlagartig in die DDR-Zeit zurückversetzt. Dort gab es in jeder Kreis- und Bezirksstadt eine Milch(eis)bar, die Anlaufpunkt für Treffen zu Kaffee, Kuchen und Eis war. Sogar der Schriftzug des Funkhaus-Restaurants erinnert daran. Ein Traum, auch für Nicht-Ostalgiker.



Funkhaus Nalepastrasse Berlin Milchbar
Funkhaus Nalepastrasse Berlin Milchbar


Man kann schwimmen gehen oder allerlei Wassersport treiben. Sogar Wasser-Yoga wird angeboten. Direkt gegenüber warten der Treptower Park und der Plänterwald darauf, entdeckt zu werden, die für sich genommen besuchenswerte Orte sind, um vom Grossstadttrubel abzuschalten und einfach das Grün zu geniessen. Das Funkhaus ist ein ausgezeichneter und zugleich interessanter Ausgangsort für Spaziergänge an der Spree.



Funkhaus Nalepastrasse Berlin Wassersport und Yoga
Wassersport und Yoga auf der Spree

Das Funkhaus wartet mit seiner einzigartigen Geschichte auf

 

Nachdem die DDR im Jahr 1950 das Haus des Rundfunks in der Masurenallee (Charlottenburg, damals britischer Sektor) verlassen musste, wurde ein neues Sendezentrum gesucht. Man fand die Möglichkeit in der ehemaligen Sperrholzfabrik in der Nalepastrasse. Es begann der Bau eines neuen Sendehauses in verschiedenen Phasen und Blöcken. Der fünfgeschossige Skelettbau (E-R) ragt hervor und ist bereits von Weitem in der Rummelsburger Landstrasse zu sehen.



Funhaus Nalepastrasse Berlin

 

In den modernen Sendestudios fanden alle überregionalen DDR-Radiosender Platz, darunter der Berliner Rundfunk, Deutschlandsender, DDR I und II sowie das spätere Jugendradio DT64, das mit seiner Popkultur mal andere Töne über den Funk brachte und einschlug. Eigentlich dafür gedacht, die ostdeutsche Jugend vom Westradio-Hören abzuhalten, sendete es Regime-Kritik in Klängen. Einige DDR-Bands, wie Silly oder City, verklausulierten ihre kritische Haltung über ihre Musik und Texte. Es gab aber auch Platz für Punk, Indie, DDR-Hip-Hop, Hardrock und West-Stars.


In den 1980er Jahren für die Jugend zum Vollprogramm mit eigener Frequenz ausgebaut, war DT64 ein Sender, der sich unterschied und den ich gerne hörte. Ein mutmasslich freiheitliches, demokratisches Kontrastprogramm trotz strenger staatlicher Kontrolle. 1989 wurde DT64 mutiger, berichtete sozusagen «durch die Blume» über Verbote (z. B. des Magazins «Sputnik»), über die Montagsdemos, über Tabus wie Rechtsextremismus und Homosexualität. Das Ende des Senders kam nach dem Mauerfall mit Umstrukturierungen in den 1990er Jahren.

 

Nach der Wende hatte der DDR-Rundfunk keine Zukunft mehr. Die Gebäude standen zunächst leer. Nach wechselvollen Entwicklungen steht das Funkhaus wieder als Musikzentrum zur Verfügung. Internationale Bands und Künstler wie Depeche Mode produzier(t)en hier. Auch Festivals finden statt.





Funkhaus Nalepastrasse Berlin


In der Nähe des Funkhauses gegenüber der Stralauer Halbinsel befand sich das Gefängnis Rummelsburg (damals Hauptstrasse 8), das in den 1970er und 1980er Jahren als Haftanstalt für mehrere tausend Bürger diente, darunter Fluchthelfer, und mitunter von der BRD freigekauft wurden. Sein berühmtester Insasse war Erich Honecker (Staatsratsvorsitzender der DDR), der am 29. Januar 1990 für eine Nacht einsass. Die Schliessung im Oktober 1990 liess die Gebäude zunächst leer und verlassen zurück. Heute befinden sich Wohnungen, Lofts und ein Hotel darin.

 

Man kann sich vorstellen, dass die Gegend um Köpenicker Chaussee und Rummelsburger Landstrasse damals wenig einladend gewesen ist. Als ich in Karlshorst wohnte, mag ich mich erinnern, dass mir die Ecke trist erschien. Fahrten mit der Strassenbahn (Nr. 21) oder mit dem Auto insbesondere auch am Wochenende waren von Menschenleere geprägt. Allerdings erwies sich die Strecke als willkommener Weg, um die allzu häufigen Staus auf der Treskowallee zu umfahren.

 

 

Funkhaus:

Nalepastrasse 18

12459 Berlin

 

Webseite:

 

Öffentlicher Nahverkehr (ÖV): 

Tram-Linie 21 bis zur Haltestelle Köpenicker Chaussee/Blockdammweg, von dort sind es wenige Minuten zu Fuss.

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